Freitag, 1. März 2013

Herausgabeanspruch bzgl. privater E-Mails - nochmals zum Fall des OLG Dresden Az. 4 W 961/12

Die Entscheidung des OLG Dresden vom 5.9.2012, Az. 4 W 961/12 ist im Moment ja ein vieldiskutierter Fall - ich hatte ja auch darüber berichtet, siehe hier.

Leider sehe ich häufig, dass der falsche Schluss aus der Entscheidung gezogen wird. Quintessenz der Entscheidung ist nämlich eigentlich nicht, dass man den Beschäftigten (im konkreten Fall war es ja ein freier Mitarbeiter) um Einwilligung in die Löschung seiner privaten E-Mails bitten muss, sondern dass diese privaten E-Mails herauszugeben sind.

Denn das ist ja eigentlich die Konsequenz des Falles: Wenn eine Einwilligung zur Löschung des privaten Contents verweigert wird - das kann ja bei einer freiwilligen Einwilligung durchaus der Fall sein - dann bedeutet dies ja nicht, dass der E-Mail-Account bis in alle Ewigkeit gesichert werden muss. Denn das ist ja - abgesehen von Fällen mit etwaigen Aufbewahrungspflichten für Geschäftsbriefe und nach HGB - datenschutzrechtlich auch wieder problematisch (Löschpflicht nach Zweckwegfall § 35 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 BDSG und allgemeiner Grundsatz der Datensparsamkeit § 3a BDSG). Hier sind dem Betroffenen die privaten E-Mails entweder in geeigneter Weise herauszugeben oder dem Betroffenen die Möglichkeit zum "wegsichern" zu gewähren. Nur weil dies im Fall des OLG Dresden nicht möglich war, zog das Gericht die Möglichkeit eines Schadensersatzanspruchs in Betracht.

Auch dürfte die angesprochene Entscheidung in der Regel nur für den Fall einer fristlosen Kündigung oder einer sofortigen Beendigung der Zusammenarbeit relevant werden.

Im Fall, dass ein Beschäftigungsverhältnis ordentlich unter Wahrung der Kündigungsfristen endet, bleibt für den Betroffenen ausreichend Zeit, seinen privaten Content auszusondern und in geeigneter Art und Weise zu sichern. Und dies muss - das ist die Schlussfolgerung aus der Entscheidung - dem Mitarbeiter erlaubt werden.

Das kann natürlich in manchen Fällen wiederum gerade bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinsichtlich der Wahrung von Betriebsgeheimnissen problematisch sein, insbesondere wenn der Arbeitgeber fürchten muss, dass etwa der Beschäftigte mit Verlassen des Arbeitsplatzes bei der Gelegenheit auch noch betrieblichen Content und Know-How abzuziehen versucht. Dies ist letztendlich aber schlichtweg die Folge der Erlaubnis der Nutzung eines betrieblichen E-Mail-Accounts auch für private Zwecke. Denn der Arbeitgeber darf von privaten E-Mails keine Kenntnis nehmen (aufgrund Fernmeldegeheimnis § 88 TKG oder zumindest die Auswirkungen hiervon, je nach beurteilendem Gericht). Und wie will der zur Herausgabe verpflichtete Arbeitgeber denn ohne Kenntnisnahme des Inhalts zwischen privatem und geschäftlichem Content bei einer Herausgabe der Nachrichten differenzieren?

Im übrigen dürfte das Gesagte nicht nur für E-Mails, sondern auch für sonstigen (erlaubt gespeicherten) privaten Content wie Texte, Videos, Musik usw. gelten - hier spielt auch noch die Inhaberschaft an urheberrechtlichen Nutzungsrechten und das Eigentumsrecht mit hinein.

Meines Erachtens wieder ein Argument - neben so vielen anderen, eine saubere Trennung von betrieblicher und privater E-Mail- und Content-Haltung zu beachten.

RA Steinle, LL.M., Fachanwalt für IT-Recht, Externer Datenschutzbeauftragter (IHK), Karlsruhe

Montag, 25. Februar 2013

Schadensersatz wegen der Löschung privater E-Mails eines Beschäftigten?

In einem Verfahren über die Gewährung von Prozesskostenhilfe hatte dass OLG Dresden in seiner Entscheidung vom 5.9.2012 (Aktenzeichen 4 W 961/12) entschieden, dass dem Grunde nach aufgrund der Löschung eines E-Mail-Accounts eines Vertragspartners ein Anspruch auf Schadensersatz in Betracht kommen könnte.

Was war geschehen? Der Antragsteller war beim Antragsgegner als freier Mitarbeiter (Fahrradkurier) tätig und erhielt für die Dauer seiner Tätigkeit ein Smartphone. Nach Beendigung des Vertragsverhältnisses entstanden offensichtlich Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien, die darin gipfelten, dass der Antragsteller den Antragsgegner auf Unterlassung der Betätigung bestimmter Äußerungen in Anspruch nehmen wollte, Auskunft über gebrauchte erbrachte Leistungen erfragte als auch sämtliche des an den Antragsteller vermieteten E-Mail-Account vorhandene Daten an diesen herauszugeben. Die Herausgabe des Smartphones verweigerte der Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner.

Der Herausgabeanspruch bezüglich der Daten auf dem E-Mail-Account scheiterte, da der Antragsgegner den E-Mail-Accounts und alle darauf befindlichen Daten bereits gelöscht hatte.

Allerdings hielt es dass OLG Dresden für denkbar, dass aufgrund der Löschung der Daten in einem E-Mail-Account ein Schadensersatzanspruch dem Grunde nach gegeben sein könnte. Das Gericht stützte diesen Anspruch auf eine Verletzung der vertraglichen Nebenpflichten aus dem zwischen den Parteien bestehenden Vertrag sowie auf § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit einem Schutzgesetz (§ 274 Abs. 1 Nr. 2 StGB – Urkundenunterdrückung und § 303a StGB – Datenveränderung).

Das Gericht führt dazu aus, dass es zu den vertraglichen Nebenpflichten gehöre, Schäden von Rechtsgütern des anderen Vertragspartners fernzuhalten, die aus der eigenen Sphäre entstehen können. Werde im Rahmen eines Vertragsverhältnisses von einem Vertragspartner für den anderen ein E-Mail Account angelegt, auf dem dieser auch private E-Mails speichert, entspreche es den vertraglichen Nebenpflichten, von einer Löschung des Accounts nach Beendigung des Vertragsverhältnisses so lange abzusehen, bis klar sei, dass die andere Partei an der Nutzung des Accounts kein Interesse mehr habe. Dies lasse sich im vorliegenden Fall – so das OLG Dresden – aber nicht feststellen.

Diese Entscheidung ist bemerkenswert: Insbesondere dürfte dieser Sachverhalt auch auf die Konstellation des klassischen Arbeitsverhältnisses übertragbar sein, wenn auch hier der Arbeitnehmer private E-Mails auf dem betrieblichen Account speichert. Will man die Ausführungen des OLG Dresden auf diesen Sachverhalt übertragen, bedeutet dies, dass auch in solchen Konstellationen der Arbeitgeber sich – sofern es sich nicht klar aus den Umständen ergibt – von der Befugnis der Löschung auch der privaten E-Mails versichern sollte.

Andererseits ist vorliegend auch folgendes zu bedenken: Es handelt sich bei dem Verfahren um ein solches zur Gewährung von Prozesskostenhilfe. Das Gericht muss also lediglich feststellen, ob ein entsprechender Klageantrag grundsätzlich Aussicht auf Erfolg haben könnte. Darüber hinaus wird die Kunst hier sein, einen Schaden konkret zu beziffern. Dies dürfte in den meisten Fällen schwierig werden, ist im Einzelfall aber durchaus denkbar.

RA Steinle, LL.M., Fachanwalt für IT-Recht, Externer Datenschutzbeauftragter (IHK), Karlsruhe