In einer Nacht- und Nebelaktion hat der Deutsche
Bundestag am 29.06.2012 ein „Gesetz zur Fortentwicklung des Meldewesens“
beschlossen, welches das bisherige Melderecht auf den Kopf stellen würde:
Bisher dienen Melderegister vorrangig als Adress- und Datenbeschaffer für die
öffentliche Verwaltung, und im Rahmen einer Abwägung auch für private
Interessenten, etwa für Gläubiger, die auf der Suche nach Schuldnern sind, die
sich einem Forderungseinzug entziehen wollen, oder für Adressbuchverleger,
vorausgesetzt der Bürger hat der Eintragung nicht widersprochen. Mit der in
zweiter Lesung beschlossenen Gesetzesänderung würden Firmen nun für „Zwecke der
Werbung oder des Adresshandels“ Melderegisterauskünfte erhalten, selbst wenn die
betroffene Person Widerspruch eingelegt hat, „wenn die Daten ausschließlich zur
Bestätigung oder Berichtigung bereits vorhandener Daten verwendet werden“.
Diese unscheinbare Änderung hätte gravierende
Konsequenzen für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger und die Kommunen mit
ihren Meldebehörden. Profitieren würden vor allem Auskunfteien und
Adresshändler. Diese können sich bisher und nach dem ursprünglichen Entwurf
keine Adressen aus dem Melderegister ohne Einwilligung der Betroffenen
beschaffen. Dieses Verbot umgehen viele Adresshändler heute, indem sie für
Gläubiger auftragshalber Meldeauskünfte vermitteln und diese danach für eigene
Zwecke weiternutzen. Diese illegale Praxis soll nun anscheinend legalisiert und
massiv ausgeweitet werden:
Mit der Änderung würde eine nicht aktuelle Adresse
genügen, und schon könnten die Firmen sich die behördlich beschafften,
geprüften aktuellen Adressen besorgen. Riesige inaktuelle private Datenbestände
gibt es zuhauf. Adresshändler könnten sich einfach wertvolle Behördendaten
beschaffen und diese danach teuer weiterveräußern. Zugleich würden dadurch den
Kommunen wichtige Einnahmequellen, die Gebühren für Melderegisterauskünfte,
genommen, weil Interessenten, z. B. Gläubiger, sich bei den Adressenhändlern
bedienten und nicht mehr zu den Meldebehörden gehen müssten.
Dazu der Kommentar des Leiters des Unabhängigen
Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein: „Ich bin schockiert über
Form und Inhalt der Gesetzgebung. An Kommunen und Datenschützern vorbei werden
hier wirtschaftliche Lobbyinteressen bedient. Nach der Beschlussfassung zu
einer Stiftung Datenschutz, die in der vorgesehenen Form nur einer Wirtschaft
dient, die Datenschutz als Billigware haben möchte, ist dies innerhalb
kürzester Zeit ein zweiter Sündenfall und ein weiterer Schlag ins Gesicht all
derer, die dem Versprechen der Koalitionsvereinbarung vertraut haben, den
Datenschutz der Bürgerinnen und Bürger zu stärken.
Wir können nur hoffen, dass der Bundesrat diesen
gefährlichen Unsinn stoppt.“
PRESSEMITTEILUNG vom 04.07.2012 DES:
Unabhängiges Landeszentrum für Datenschutz
Schleswig-Holstein Holstenstr. 98, 24103 Kiel